Binde wechsle dich!

Es war die Hammernachricht, die Fußballdeutschland aus dem Freudentaumel in Schockstarre versetzte: Philipp Lahm tritt als Kapitän und als Weltmeister aus der Nationalmannschaft zurück. Damit hat so kurz nach dem vierten Titel nun wirklich niemand gerechnet.

Dabei kann man es Philipp Lahm nicht verübeln. Mit 30 Jahren hat er bis auf die Europameisterschaft alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Champions League Sieger, deutscher Meister, deutscher Pokalsieger, europäischer Supercup-Gewinner, Klub-Weltmeister und nun auch Weltmeister mit Deutschland. Die Liste ist lang! Gut, sie könnte noch länger werden und ausgeschmückt werden, doch wer kann Lahm garantieren, dass 2016 Deutschland Europameister wird? Richtig, niemand kann das! Wieso also vielleicht mit einer Enttäuschung aufhören, wenn man aufhören sich mit einem Platz an der Weltspitze verabschieden kann?! Herr Lahm, Sie haben alles richtig gemacht. Mein Glückwunsch zu diesesm Schritt. Ich war nicht immer überzeugt von Lahm. Gerade in der Sechser-Debatte habe ich die Augen verdreht, meiner Ansicht nach gehört Lahm auf den Flügel. Dort ist er der Beste der Welt, auf der Sechs nur einer unter Vielen! Wie er aber seine “Degradierung” vom Zentrum nach hinten rechts wahrgenommen hat und wie er sich dann nochmal gesteigert hat und die Mannschaft geführt hat, das war überzeugend! Das war weltmeisterlich!

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Hat die deutsche Nationalmannschaft zum ersehnten vierten Titel geführt: Philipp Lahm!

Durch den Abgang von Philipp Lahm tut sich nun eine Lücke im DFB-Team auf. Eine Lücke, die groß ist und die es nun zu schließen gilt. Präsident Wolfgang Niersbach hat das Casting schon ausgerufen: “Deutschland sucht den Superkapitän!” Bei Niersbach steht Mats Hummels ganz oben auf der Liste (“Mats Hummels ist ein so intelligenter und klasse Junge, der ein überzeugendes Auftreten hat – nicht nur als Innenverteidiger, den kannst du überall hinschicken.”). Im nächsten Atemzug nennt er die Nummer Eins Manuel Neuer (“In jeder Beziehung 1A”) und den emotionalen Leader Bastian Schweinsteiger (“Ein Anführer par excellence”). Sogar der jungen Generation traut er die Binde zu. Über Toni Kroos und Mario Götze sagt Niersbach: “Die entwickeln sich ja weiter, nicht nur auf dem Platz.”

Jedoch vergisst Niersbach einen Spieler, der als logischer Schritt erscheint: Sami Khedira. Ein Leader, ein Mann der ein Spiel an sich und eine Mannschaft mit sich reißen kann und ein Vorbild in jeglicher Hinsicht!

Sieben Monate und 28 Tage nach seinem Kreuzbandriss wurde Khedira in Brasilien Weltmeister. Dabei hat er all seine Kritiker, die an ihm und Jogi Löws Entscheidung ihn mitzunehmen zweifelten gezeigt, was man mit Willenskraft erreichen kann. Auf seiner Facebook Seite schreibt er wenige Tage nach dem Titel:

“15.11.2013 Kreuzbandriss in Mailand
16.11.2013 Dr. Andree Ellermann, Deutschlands Kreuzbandexperte Nummer Eins: ,,Khedira wird es nicht zur WM schaffen”
Lothar Matthäus: ,,Ich glaube, das war’s mit der WM für Sami Khedira. Ich kenne das von meinen eigenen Verletzungen. Er wird es bis zum Sommer nicht schaffen, auf ein Top Niveau zu kommen.”
24.05.2014 (6 Monate und 9 Tage nach der Verletzung) Champions League Sieger
13.07.2014 (7 Monate und 28 Tage) Weltmeister
Leute, was ich euch damit sagen will: egal wie aussichtslos die Situation ist, mit dem eigenen Willen und der inneren Stärke könnt ihr unglaublich viel erreichen. Glaube, Kampf und Ehrgeiz können so viel freisetzen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich bin 3 Monate durch die Hölle gegangen, habe mich komplett in einem kleinen Dorf abgeschottet um ein Ziel zu erreichen: Weltmeister in Brasilien zu werden. Es hat sich gelohnt.”


Was Khedira am Finaltag für eine Leistung abgeliefert hat, ist ebenso vorbildlich. Zehn Minuten vor dem vielleicht größten Spiel seiner Karriere entscheidet sich Khedira nach Absprache mit Teamarzt Dr. Müller-Wohlfahrt gegen einen Einsatz. Müller-Wohlfahrt hatte Bedenken, dass die Wade Khediras die erste halbe Stunde nicht überstehen würde. Welcher Spieler würde vor so einem wichtigen Spiel freiwillig auf einen Einsatz verzichten? Sich selbst rausstellen für das Wohl der Mannschaft? Wer einmal Mannschaftssport betrieben hat und ehrlich zu sich ist, der weiß, dass dieser Schritt Überwindung kostet. Selbst bei einem Kreisliga-Kick! Respekt Sami Khedira!

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Der Kandidat für die Nachfolge steht schon bereit: Sami Khedira (links) neben Philipp Lahm (rechts)

Dank seiner Entscheidung konnte Löw seine drei Wechsel lange aufsparen. Er brachte mit Schürrle den Vorlagen-Geber, mit Götze den Siegtorschützen und mit Mertesacker eine Wand in der Verteidigung.

Doch zurück zu Niersbachs Liste. Bastian Schweinsteiger braucht keine Binde, um Kapitän zu sein. Allein durch seine Präsenz strahlt er schon genug Führungsqualitäten aus. Er wird immer ein Leader der Mannschaft sein, mit oder ohne Binde.

Manuel Neuer kommt meiner Ansicht schon deswegen nicht in Frage, da er als Torwart meist zu weit entfernt vom Geschehen und vom Schiedsrichter ist. Ein Kapitän muss mitten im Spiel sein, immer da sein wenn es Diskussionen gibt. Das kann Neuer von seinem Tor aus nicht steuern.

Hummels ist zwar auch ein Leadertyp, der das Zeug zur Binde hat, doch wieso soll nicht der Mann das Team auf’s Feld führen, der das schon 2009 bei der U21 mit Bravour getan hat.

Mit Kapitän Sami Khedira wurden Özil, Hummels, Boateng, Neuer und Höwedes bereits Junioren-Europameister.

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